Ton / Keramik
Ton als Material
Der Erde und ihrer Formung begegnen wir seit der frühesten Menschheits-geschichte bis heute in
den vielfältigsten Formen und zu unterschiedlichsten Zwecken. In Lehm wurden Abdrücke hinterlassen, die ersten Schriftzeichen überliefert, mit Ton wurden Figuren und Töpfe geformt und Häuser aus
Lehm gebaut. Erde diente auch in Form von Schlammbädern zur Linderung und Heilung von rheumatischen Schmerzen. Zu Tabletten verarbeitete Heilerde wurde innerlich gegen Krankheiten und in
der Schwangerschaft verabreicht. Erde war auch mancherorts ein Genussmittel, ein Naschwerk und
wurde in Ritualen als zauberisch–magisches Medium, z.B. als Anrufung der Mutter Erde bei Schwüren, eingesetzt. In Hungerszeiten sicherte das Erdessen das Überleben und diente als Nahrungsersatz. Auch gibt es Berichte, dass durch übermässiges Erdessen der Tod herbeigeführt werden
konnte.
Noch heute gebrauchen wir Erde oder Tonerde für viele der oben genannten Möglichkeiten. Noch
immer werden Figuren und Töpfe aus Ton geformt und Ziegelsteine für den Häuserbau gebrannt.
Auch Schlammbäder werden wieder angeboten. Das Essen von Erde, Geophagie genannt, ist noch
heute in Ozeanien und Afrika verbreitet. Und an den vielen Orten des Hungers wird vielleicht noch
immer Erde der Nahrung beigemischt.
Lassen wir unseren Blick in die individuellen Lebensgeschichten von heutigen westlichen Menschen
fallen, so taucht Erde oder Ton häufiger zu Beginn, also in den Kinderjahren auf. Kinder, die zu krabbeln beginnen, sind manchmal wie magisch angezogen vom Blumentopf, in dessen Erde man hineingreifen und sie ausräumen kann. Kinder mögen das Stapfen in matschiger Sumpferde, das Rutschen auf lehmigem Boden, das Begreifen, Schmieren und Formen mit Tonerde. Diese Qualitäten
sind nicht Kindern vorbehalten, aber sie tauchen mehrheitlich in dieser Lebenszeit auf, wenn sie
überhaupt noch erlebt werden können.